Wie Köln digital wirklich vorankommen kann
Mike Gahn erklärt, warum Digitalisierung mehr Haltung als Technik braucht – und wo Köln jetzt handeln muss
Mike Gahn kennt beide Seiten: Als geschäftsführender Gesellschafter der ownsoft GmbH arbeitet er seit vielen Jahren mit Unternehmen an digitalen Lösungen. Gleichzeitig ist er Vizepräsident der IHK Köln, Co-Vorsitzender im Ausschuss „Digitales & Innovation“ sowie stellvertretender Vorsitzender des ITK-Ausschusses der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin.
Im Gespräch erklärt er, warum Deutschland im internationalen Vergleich zurückliegt, welche Chancen Künstliche Intelligenz (KI) für Kölns Unternehmen und Verwaltung bietet und warum Digitalisierung Chefsache sein muss.
Unternehmer und IHK – zwei Perspektiven
Koeln-Magazin.de: Mike, du bist IT-Unternehmer und gleichzeitig Vizepräsident der IHK Köln. Das sind zwei verschiedene Sichtweisen. Wie und wo ergänzen sie sich – und wo stehen sie eher konträr?
Mike Gahn: Sie ergänzen sich in vielen Punkten. Ich kann die Erfahrung aus einem mittelständischen Unternehmen in die IHK-Arbeit einbringen, zum Beispiel beim Thema Bürokratieabbau. In politischen Diskussionen weise ich immer wieder darauf hin, welche Folgen bestimmte Regelungen für kleine Betriebe haben.
Umgekehrt profitiere ich auch von meinem Engagement, weil ich durch das Netzwerk und die Veranstaltungen viele Impulse bekomme, die ich im eigenen Unternehmen gut nutzen kann. Es ist also ein Geben und Nehmen.
Deutschland hinkt hinterher
Koeln-Magazin.de: Wie weit ist Deutschland in der Digitalisierung? Und wo siehst du die größten Baustellen?
Mike Gahn: Deutschland hängt da deutlich hinterher. Wir wissen ja seit Jahrzehnten, dass Digitalisierung die Zukunft ist, und trotzdem arbeiten viele noch mit Faxgeräten. Das größte Problem ist die Verwaltung: Während man in anderen Ländern per App in ein bis zwei Tagen Ergebnisse bekommt, dauert es hier ewig.
Zwar gibt es ein Digitalministerium, aber bis wir wirklich digital aufgestellt sind, ist es noch ein weiter Weg.
Kölns Chancen und Schwächen
Koeln-Magazin.de: Was sind die Stärken und Schwächen Kölns?
Mike Gahn: NetCologne ist ein definitiv ein großes Plus – die digitale Infrastruktur innerhalb der Stadt ist wirklich gut. Aber schon wenige Kilometer außerhalb sieht das ganz anders aus: Da hat man manchmal nur noch zehn Megabit und das bremst die ganze Region. Stark sind auch die Universitäten und das Forschungsumfeld, aber die Zusammenarbeit wird noch nicht genug genutzt. Köln könnte viel weiter sein, wenn Kooperationen einfacher und gezielter zustande kämen.
Koeln-Magazin.de: Warum kommt Kölns Verwaltung nicht voran?
Mike Gahn: Weil Digitalisierung in Köln keine Chefsache ist. Themen werden irgendwo platziert, aber nicht wirklich priorisiert. Viele Dezernenten haben mehrere Ressorts, und wenn Digitalisierung nicht gerade ihr Herzensthema ist, bleibt es schnell liegen. Eigentlich müsste das Thema ganz oben angesiedelt sein.
Unternehmen zwischen Angst und Aufbruch
Koeln-Magazin.de: Welche Fehler machen Unternehmen besonders häufig?
Mike Gahn: Viele sind einfach zu ängstlich. Seit Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) herrscht eine große Unsicherheit. Es wird endlos über Datenschutz diskutiert – und am Ende passiert oft gar nichts. Natürlich muss man die Gesetze beachten, aber manchmal sollte man einfach Dinge ausprobieren, intern testen und auch mal kleine Risiken eingehen. Das gehört zum Unternehmertum dazu.
Koeln-Magazin.de: Spielen auch mentale Hemmnisse eine Rolle?
Mike Gahn: Auf jeden Fall. Viele ältere Unternehmer sagen: „Das soll die nächste Generation machen.“ Das führt dann oft zu Stillstand – manchmal jahrelang. Dabei ist das Tempo der KI-Entwicklung aber so rasant, dass man schnell den Anschluss verliert. Wer nicht rechtzeitig einsteigt, kommt nicht mehr auf den Zug.
Koeln-Magazin.de: Kannst du ein paar Beispiele nennen, wie Unternehmen Digitalisierung konkret angehen können?
Mike Gahn: Am besten beginnt man mit kleinen, sofort wirksamen Verbesserungen. Ein einfaches Beispiel: Eingehende Rechnungen werden automatisch der Buchhaltung zugeordnet, statt in einem allgemeinen Postfach zu landen. Oder Supportanfragen werden zentral erfasst und sortiert, damit sie nicht mehr manuell verteilt werden müssen.
Auch im Büroalltag steckt viel Potenzial, wenn Belege digital erfasst und automatisch archiviert werden. Solche Schritte schaffen Entlastung, sparen Zeit und erhöhen die Zufriedenheit der Mitarbeitenden.
Zudem lassen sich viele dieser Prozesse schon heute mit KI unterstützen, etwa durch automatische Texterkennung, intelligente Sortierung oder Priorisierung von Aufgaben.
„KI könnte Bürgerinnen und Bürger durch Formulare führen – das würde die Akzeptanz enorm erhöhen"
Künstliche Intelligenz – Chancen und Risiken
Koeln-Magazin.de: Welche Chancen und Risiken siehst du bei KI für kleine und mittlere Betriebe?
Mike Gahn: Die Chancen sind groß: 20 bis 30 Prozent Effizienzsteigerung sind durchaus realistisch. Risiken entstehen vor allem dann, wenn KI unüberlegt eingesetzt wird, falsche Ergebnisse liefert oder wenn sensible Daten in offene Systeme geraten.
Koeln-Magazin.de: Welche Möglichkeiten siehst du für den Einsatz von KI in der Verwaltung?
Mike Gahn: Besonders beim Zugang sehe ich großes Potenzial: KI könnte Bürgerinnen und Bürger durch Formulare leiten – in natürlicher Sprache, so wie es bei Steuer-Tools schon funktioniert. Das würde die Akzeptanz enorm erhöhen.
Koeln-Magazin.de: Wie sieht es mit Fachkräften aus?
Mike Gahn: Der Wettbewerb ist enorm. Dank der Hochschulen gibt es zwar viele Talente, aber Köln muss attraktiver werden, damit sie auch hierbleiben. Dabei geht es um Lebensqualität, aber auch um Rahmenbedingungen – eine smarte, gut funktionierende Stadt ist ein klarer Standortvorteil.
„Köln sollte wie ein digitaler Helfer funktionieren, der den Menschen das Leben erleichtert“
Blick nach vorn
Koeln-Magazin.de: Stell dir ein kleines Unternehmen in Köln vor, das mit der Digitalisierung starten will. Welche drei Schritte empfiehlst du?
Mike Gahn: Erstens: eine ehrliche Bestandsaufnahme machen. Zweitens: eine Strategie mit klaren Zielen entwickeln. Und drittens: mit zwei oder drei konkreten Maßnahmen starten, die den größten Nutzen bringen und spürbar Arbeit erleichtern.
Wichtig ist, schnell sichtbare Ergebnisse zu erzielen – dann merken alle, dass sich der Aufwand lohnt.
Koeln-Magazin.de: Und dein Wunschbild für Köln im Jahr 2030?
Mike Gahn: Eine Verwaltung, die Bürgerinnen und Unternehmer wirklich unterstützt – ein One-Stop-Shop für alle Anliegen. Daten müssen nur einmal eingegeben werden, und die Services sind leicht zugänglich. Außerdem wünsche ich mir eine Smart City, in der Mobilität intelligent vernetzt ist. Köln sollte wie ein digitaler Helfer funktionieren, der den Menschen das Leben erleichtert.
Das Gespräch führte Ertay Hayit (Chefredakteur Koeln-Magazin.de) im Oktober 2025
Der Digitalmacher aus Köln
Mike Gahn ist nicht nur fröhlicher Kölner, sondern auch ein quirliger Unternehmer. Bereits während seines Studiums machte er sich mit IT-Services selbstständig. 2002 gründete er zusammen mit drei Mitgesellschaftern die heutige ownSoft GmbH, die neben IT-Beratung und -Umsetzung unter anderem mit dem Produkt BeWoPlaner in der Sozialwirtschaft aktiv ist. Die Software hilft Unternehmen, Zeit und Geld zu sparen.
Bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in der Industrie- und Handelskammer (IHK) Köln liegt ihm besonders am Herzen, die Digitalisierung weiter voranzutreiben.
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