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Kita-Schließungen in Köln führen zu Streit um Gebühren

Was Eltern in Krankheitswellen über ihre Rechte wissen sollten

Kölner Kita-Gruppenraum

Kölner Kita-Gruppenraum während eines eingeschränkten Betreuungstags: Viele Plätze bleiben leer, doch die Gebühren laufen weiter. Thema im Interview mit Rechtsanwalt Christian Solmecke (Foto: Archiv Hayit Medien)

Wenn in Kölner Kitas die Lichter ausgehen, geraten viele Mütter und Väter unter Druck. Auch in der Domstadt häufen sich aktuell Schließungen und eingeschränkte Betreuungsangebote, weil Erkältungs- und Grippewellen ganze Teams ausbremsen. Fehlt Personal, fällt Betreuung aus. Familien organisieren Ersatzlösungen, zahlen Betreuungskräften Geld und überweisen trotzdem weiterhin Kita-Beiträge und Essensgeld. Dieses Ungleichgewicht sorgt für Ärger und viele offene Fragen.

Der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke von WBS.LEGAL erläutert, welche Möglichkeiten bestehen, Kosten zurückzufordern und welche Hürden das Kita-Recht bereithält. Die Lage ist komplex, weil in Kitas unterschiedlicher Trägerinnen und Träger verschiedene Regelwerke gelten. Die Landesgesetze setzen den Rahmen, doch viele Details entstehen erst auf kommunaler Ebene oder direkt in den Einrichtungen.

Solmeckes wichtigster Hinweis richtet sich an alle Familien, die Klarheit suchen. Sein Rat lautet: „Schauen Sie in Ihre Verträge und die Regelwerke Ihrer Kita bzw. Kommune: Was steht da zur Rückzahlung von Beiträgen? Allerdings: Erscheint Ihnen die Regelung einseitig belastend, lohnt es sich möglicherweise, diese gerichtlich überprüfen zu lassen.“

Kita-Schließungen in Köln werfen Rechtsfragen auf
 

Koeln-Magazin.de: Kann ich die zu viel gezahlten Betreuungsgebühren zurückfordern?

Christian Solmecke: „Hier ist die Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Kitas besonders relevant. Für öffentliche Kitas gilt § 90 Absatz 1 des Achten Sozialgesetzbuchs: Danach dürfen für die Betreuung in Kitas „Kostenbeiträge“ erhoben werden. Diese sind allerdings nicht als Gegenleistung für die konkrete Betreuung gedacht, sondern als Pauschale. Das bedeutet: Auch wenn die Betreuung teilweise oder komplett wegen des hohen Krankenstands ausfällt, bleibt die Beitragspflicht grundsätzlich bestehen.

Mehrere Gerichtsurteile bestätigen: Eine Ermäßigung der Beiträge komme nur in Betracht, wenn das Verhältnis zwischen Zahlung und Leistung gröblich gestört sei – also bei absoluten Ausnahmen. Das ist bei einer Schließung, auch wenn sie für mehrere Tage erfolgt, noch nicht der Fall. So entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in einem Urteil im Dezember 2023, dass Eltern die monatlichen Gebühren für den Kita-Platz ihres Kindes auch während der damals pandemiebedingten Einschränkungen weiterzahlen mussten, selbst wenn die Betreuung nur eingeschränkt oder gar nicht in Anspruch genommen wurde (VGH München, Urt. v. 04.12.2023, 4 B 23.401). Die Gebührenpflicht bestand, weil die gültige Gebührensatzung vorsah, dass die monatlichen Kosten für den reservierten Platz unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme gezahlt werden müssen.

Da der Betreuungsvertrag vom Kläger weder gekündigt noch das Kind abgemeldet wurde und die Kita ihr Angebot aufrechterhielt, blieb die Zahlungspflicht bestehen. Das ist erst einmal auch nachvollziehbar, denn die Kosten der Kommune bleiben: Miete, Gehälter und Energie müssen auch bezahlt werden, wenn keine oder nur weniger Kinder kommen.

Manche Bundesländer oder Kommunen haben allerdings Regelungen dazu, ob bzw. wann bei Kita-Ausfällen oder reduzierten Betreuungszeiten die Beiträge – ggf. teilweise – zu erstatten sind. Das ist jedoch die absolute Ausnahme, denn die Kommunen sind traditionell ziemlich klamm. Nur zu Corona-Zeiten haben viele Kommunen temporär Ausnahmen beschlossen.

Bei privaten Kitas sieht das allerdings anders aus: Die Grundlage ist hier ein ganz normaler zivilrechtlicher Betreuungsvertrag. Dieser Vertrag verpflichtet die Einrichtung zur tatsächlichen Erbringung der Betreuungsleistung. Und für Verträge gilt der Grundsatz, dass ohne Leistung auch keine Gegenleistung zu zahlen ist.

Das bedeutet: Kann die Kita die Betreuung der Kinder nicht gewährleisten, kann sie grundsätzlich auch kein Geld verlangen. Doch wo Verträge sind, herrscht – in Grenzen – auch Vertragsfreiheit. Daher können Verträge auch Klauseln enthalten, die besagen, dass die Gebühren nicht bzw. erst ab einer gewissen Dauer der Schließung erstattet werden. Schließlich haben auch private Kitas Fixkosten. Solche Klauseln können allerdings gerichtlich überprüft werden.

Werden Eltern unangemessen benachteiligt, können die Klauseln unwirksam sein, sodass nach dem Gesetz dennoch ein Rückzahlungsanspruch besteht. Wenn man diesen geltend machen will, sollte man das allerdings zeitnah nach der Schließung tun und nicht monatelang kommentarlos die Gebühren weiterzahlen.

Ein wichtiges Signal sendete hierzu das Landgericht (LG) München I (Urt. v. 31.10.2023, Az. 2 O 10468/22). Zwar ging es dort um Kündigungsfristen, aber das Gericht machte unmissverständlich klar: Klauseln in Kita-Verträgen, die Eltern unangemessen benachteiligen und das unternehmerische Risiko einseitig auf die Familien abwälzen, seien unwirksam. Eltern sollten daher Klauseln, die eine Weiterzahlung bei Nichterbringung der Leistung fordern, keinesfalls einfach hinnehmen, sondern rechtlich prüfen lassen.

Kirchliche Träger befinden sich rechtlich in einer Zwischenform, entscheidend ist daher immer die konkrete rechtliche Ausgestaltung. Viele kirchliche Kitas nutzen kommunale Finanzierungsstrukturen und arbeiten dann auf Grundlage der jeweiligen kommunalen Satzung. In diesen Fällen gelten die gleichen Regeln wie bei kommunalen Trägern.

Besteht ein privatrechtlicher Vertrag, gelten hingegen ähnliche Rechte wie bei privaten Trägern.“

Streit ums Essensgeld

Koeln-Magazin.de: Kann ich überbezahltes Essensgeld zurückverlangen?

Christian Solmecke: „In öffentlichen Kitas erlauben die Bundes- und Landesgesetze (in NRW z. B. § 51 Abs. 3 Kinderbildungsgesetz), dass die Träger der Kita Geld für die Mahlzeiten verlangen dürfen, zusätzlich zu den Betreuungsgebühren. Laut einigen Gerichtsurteilen dürfen die Kosten zwar nur die „durchschnittlich ersparten Eigenaufwendungen“ der Eltern abdecken. Das bedeutet, dass Eltern zumindest einen Anspruch haben, das Essensgeld zurückzuverlangen, wenn es überhöht kalkuliert wurde.

Bei spontanen Schließungen gibt es allerdings meist keinen Anspruch auf Rückerstattung der gezahlten Beiträge. Nur ausnahmsweise findet man andere Regelungen in der Satzung der Kita oder der Kommune. Manche Kitas erstatten das Essensgeld etwa anteilig ab einem bestimmten Tag der Schließung bzw. Notbetreuung.

Bei privaten Kitas gilt hingegen wieder das Vertragsrecht. Bei Essenspauschalen sehe ich sogar noch weniger Gründe, warum Kitas den Eltern Entgelte abverlangen dürfen für eine Leistung, die nicht erbracht wurde. Das Argument mit den Fixkosten greift hier in der Regel nicht. Dennoch ist die Suche nach Ausnahmeregelungen im Vertrag unabdingbar, im Zweifel lohnt sich auch hier eine gerichtliche Überprüfung.“

Wenn Betreuungszeiten fehlen

Koeln-Magazin.de: Können Eltern private Betreuungskosten geltend machen?

Christian Solmecke: „Die Rechtslage ist hier leider eindeutig, bei Kitas in öffentlicher und privater Trägerschaft: Solche Extra-Kosten könnten nur als Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Und diese bestehen nur, wenn die Einrichtung schuldhaft ihre Pflichten verletzt hat. Krankheitsbedingte Personalausfälle begründen in der Regel aber kein Verschulden. Private Betreuungskosten können daher meist nicht erstattet werden, das „Betreuungsrisiko“ tragen laut Rechtsprechung die Eltern.

Ausnahmsweise könnte man hier vor Gericht allerdings mit einem Organisationsverschulden der Einrichtung argumentieren – etwa wenn dauerhaft zu wenig Personal beschäftigt ist, dieses deshalb chronisch überlastet ist und es die Möglichkeit gegeben hätte, mehr Erzieherinnen oder Erzieher einzustellen.“

Rechte gegenüber dem Arbeitgeber

Koeln-Magazin.de: Welche Rechte haben berufstätige Eltern gegenüber ihren Arbeitgebern?

Christian Solmecke: „Wenn die Kita schließt, müssen Eltern ihren Arbeitgeber sofort informieren und sich erkundigen, welche Regel im Betrieb gilt. Zwar behält man nach § 616 BGB grundsätzlich den Anspruch auf Gehaltzahlung, wenn man für „nicht erhebliche Zeit“ aus persönlichen Gründen ohne eigenes Verschulden nicht arbeiten kann – der plötzliche Ausfall der Kinderbetreuung ist eigentlich der typische Anwendungsfall dieser Norm. Doch leider schließen die meisten Arbeits- oder Tarifverträge diese gesetzliche Regelung aus. Dann bleibt nur die Möglichkeit von Urlaub, Homeoffice oder unbezahlter Freistellung. Ist das Kind gesund, gibt es auch keinen Anspruch auf Kinderkrankengeld. Die Rechtsprechung betont auch hier, dass Eltern das Risiko der Kinderbetreuung tragen.“

Koeln-Magazin.de:Wie ist Ihre anwaltliche Einschätzung aus der täglichen Praxis?

Christian Solmecke: „Auch wenn oft keine gesetzlichen Ansprüche auf Rückzahlung von Beiträgen besteht, haben die Verantwortlichen häufig Entscheidungsspielraum. Hier lohnt es sich, dass sich Eltern zusammenschließen und so Druck auf die politischen Verantwortlichen in den Bundesländern bzw. der Kommune oder der Kita selbst ausüben. Solche öffentlichkeitswirksamen Forderungen haben in der Vergangenheit schon dazu geführt, dass Gelder erstattet wurden.“

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(Foto: Tim Hufnagl)
(Foto: Tim Hufnagl)

Über den Interview-Partner
Christian Solmecke ist Partner der Kanzlei WBS.LEGAL in Köln und auf Medien-, IT- und Internetrecht spezialisiert. Bekannt wurde er durch seinen YouTube-Kanal, auf dem er rechtliche Fragen verständlich erklärt.

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